Hallo David, du bist seit vielen Jahren ein Botschafter der Lean-Startup-Bewegung. Was treibt dich persönlich an, morgens aufzustehen?
DJB - Ich erinnere mich, dass ich vor etwa zehn Jahren die ersten Dinge von Eric Ries und Steve Blank hörte und las. Ich arbeitete damals in einem Startup-Unternehmen, das zwar mit Agile arbeitete, aber Dinge entwickelte, die niemanden interessierten. Ich hatte das Gefühl, dass wir lediglich effizient Müll ablieferten. Ich dachte, es muss einen besseren Weg geben.
Das Einbeziehen dieser Prinzipien in die Customer Discovery und das Testen hat mich damals sehr beeindruckt. Auch nach zehn Jahren sind diese Prinzipien immer noch aktuell. Wenn man die Dinge ins rechte Licht rückt, sind zehn Jahre keine lange Zeit, um die Art und Weise zu ändern, wie Menschen ihre Arbeit angehen. Ich bin jedes Mal begeistert, wenn ich jemandem helfen kann, einen Weg zu finden, seine Ideen zu testen.
Du bist auch der Gründer und CEO von Precoil. Du hilfst Unternehmen dabei, einen wiederholbaren Prozess für das schnelle Testen neuer Geschäftsideen zu entwickeln. Was hat dich dazu inspiriert, dieses Unternehmen zu gründen?
DJB - Ich hatte im Büro von Neo in San Francisco gearbeitet. Neo hatte einige wirklich erstaunliche Talente. Mit der Unterstützung von Eric Ries und anderen Leuten wie Josh Seiden, Jeff Gothelf und Giff Constable, um nur einige zu nennen. Wir waren im Wesentlichen ein Lean Startup as a Service, was zu dieser Zeit sehr zukunftsorientiert war. Vielleicht waren wir unserem Markt ein wenig zu weit voraus, wenn ich jetzt darüber nachdenke.
Als Neo sich dem Ende zuneigte, dachte ich, warum nicht mein eigenes Unternehmen gründen, um Menschen zu helfen, diese Art von Arbeit zu erlernen? Ich war fest davon überzeugt, dass es dafür einen neuen Markt geben würde. Das stand im Widerspruch zu allen Ratschlägen, die ich von Experten erhalten hatte. In der Regel kündigt man seinen Job nicht in den Weihnachtsferien, ohne bereits erste Aufträge zu haben. Aber ich habe zufällig ein grosses Unternehmen gefunden, das über die Feiertage Experimente durchführen wollte. Sie konnten sonst niemanden finden, weil alle im Urlaub waren. Ich nahm die Arbeit gerne an, testete Ideen mit Teams und fand danach ein anderes Unternehmen, das nach Neujahr Hilfe brauchte. Vier Jahre später habe ich Teams auf der ganzen Welt geholfen, ihre Ideen zu testen. Das war sehr unterhaltsam und herausfordernd. Mein Ansatz ist es, ihnen beizubringen, wie sie das alles selbst machen können. Irgendwann möchte ich mich selbst überflüssig machen.
Du hast 2019 zusammen mit Alexander Osterwalder das Buch "Testing Business Ideas" verfasst. Wie hat sich der Prozess abgespielt?
DJB - Es war wunderbar und das Schwierigste, was ich je beruflich in Angriff genommen habe. Die Art, wie Alex schreibt, ist einfach “wow”. Das ist schwer zu erklären. Ich musste mich erst einmal an das Konzept eines Buches gewöhnen, ohne gleich einen Grossteil des Textes zu verfassen. Ich bin ein visueller Denker, und trotzdem war es eine Herausforderung für mich. Ich hatte das Gefühl, dass ich den Dreh erst richtig raus hatte, als wir ein Jahr später mit dem Buch fast fertig waren. Er und ich ergänzen uns gut. Wir hatten keine grossen Debatten über die Grundsätze des Buches. Es ging vor allem um die Details, wie man es vermitteln kann. Wir sind beide Kompromisse eingegangen und haben das Buch im Laufe der Zeit getestet.
Ein gedrucktes Buch ist von Natur aus statisch. Wie seid ihr bei der Erstellung des Buches vorgegangen?
DJB - Ich war eingeschüchtert von der statischen Natur eines grossen physischen Buches. Ich habe mir im Laufe der Jahre eine Fangemeinde aufgebaut, indem ich hauptsächlich online geschrieben habe, aber ich konnte immer zurückgehen und Dinge bearbeiten, wenn die Leute kommentierten. Ihr Denken beeinflusste mein Denken und half mir, meine eigenen blinden Flecken zu erkennen. Bei einem physischen Buch ist die Dynamik mit den Lesern eine andere.
Alex und ich waren uns also schon früh einig, dass wir kein Buch über das Testen schreiben konnten, ohne es zu testen. Wir würden erste Inhalte mit Lesern teilen. Wir haben Buchtitel online getestet, um zu sehen, was die Leute davon halten. Wir führten Nutzertests für die Buchumschläge durch, um zu sehen, ob die Leute verstanden, worum es in dem Buch ging. Wir fassten unsere Notizen zusammen, um zu sehen, welche Themen sich herauskristallisierten. Wir haben für jedes unserer Lesersegmente ein Wertversprechen erstellt. Auf meiner Lesereise halte ich einen Vortrag darüber, wie wir das Buch im Laufe der Zeit getestet haben. Kürzlich hielt ich den Vortrag vor etwa 400 Leuten in Florida und dann vor weiteren 350 Leuten in Kalifornien. Viele Leute, die kein Buch schreiben wollten, kamen danach auf mich zu und bedankten sich bei mir. Ich denke, das fertige Produkt ist das Ergebnis all der Tests, die wir mit den Lesern auf dem Weg dorthin durchgeführt haben. Wir hatten unterschiedliche Meinungen darüber, wie das Buch aufgebaut sein sollte, aber wenn es offensichtlich war, dass es Probleme gab, sind wir einen Schritt zurück getreten und haben sie gelöst.
Du hast wiederholt erwähnt, dass es bei Minimum Viable Products ums Lernen geht, nicht um die Skalierung. Was meinst du damit?
DJB - Wir sind davon besessen, unsere Ideen für Tausende von Kunden zu skalieren, bevor wir sie überhaupt mit zehn Kunden testen. Das hat in den letzten zehn Jahren zu einigen der grössten Produktmisserfolge geführt, die wir je erlebt haben. Ich bin ein grosser Fan davon, früh Dinge zu tun, die sich nicht skalieren lassen, damit man herausfinden kann, ob eine Idee erwünscht, wirtschaftlich und technisch machbar ist. Vieles von dem, was man bei manuellen Tätigkeiten lernt, kann später automatisiert und skaliert werden. Es ist etwas frustrierend, dass Teams das Gefühl haben, keine Zeit für diese Art von Arbeit zu haben. Es ist fast so, als hätten sie Angst davor, was sie bei der manuellen Arbeit herausfinden könnten, und würden daher lieber diesen Teil überspringen und alles automatisieren.
Viele der MVPs, an denen ich in der Vergangenheit gearbeitet habe, wurden komplett weggeworfen, selbst wenn sie erfolgreich waren. Wir haben eine Idee schnell mit Kunden getestet, und wenn sie ein grosser Erfolg war, haben wir sie mit einer robusteren Technologie überarbeitet. Wenn man versucht, etwas zu skalieren, das man schnell zusammengeschustert hat, um es mit Kunden zu testen, geht das normalerweise nicht gut aus.
Es gibt so viele Möglichkeiten, eine Hypothese zu testen. Wie entscheidest du, ob du ein Interview führst, eine Landing Page erstellst oder einen klickbaren Prototyp entwickelst?
DJB - Ich überprüfe Annahmen gerne auf ihre Erwünschtheit, Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit. Das habe ich vom Design Thinking gelernt, aber es ist schwer herauszufinden, wer diese Art des Denkens geprägt hat. Ich konnte es über IDEO bis zu Larry Keeleys Arbeit zurückverfolgen. In einem Vortrag, den ich kürzlich in Chicago hielt, wurde erwähnt, dass es vom Institute of Design stammt. Ich werde vielleicht nie die einzige Quelle der Wahrheit dafür finden, aber es funktioniert einfach sehr gut, um Annahmen zu formulieren.
Wenn du zum ersten Mal eine Idee hast, liegt das Risiko normalerweise beim Kunden und bei deinem Wertversprechen. Diese Art von Experimenten sind also ein guter Ausgangspunkt (auch wenn sie sich nicht ausschliesslich auf die Erwünschtheit konzentrieren müssen). Du kannst also Kunden befragen und die Zitate dieser Kunden auf deiner Landing Page verwenden. Wenn sich deine Early Adopters auf der Landing Page anmelden, kannst du ihnen deinen klickbaren Prototyp zeigen, um noch mehr zu erfahren. Das passt einfach sehr gut zusammen. Wenn du mehr du lernst, verschiebt sich das Risiko auf andere Hypothesen. Schliesslich wirst du Experimente durchführen wollen, um herauszufinden, ob die Leute bereit sind genug dafür bezahlen. Oder ob du das das Wertversprechen zuverlässig liefern kannst. Man könnte sagen, das Testen nie zu Ende.
Was wird David Bland in 20 Jahren machen?
DJB - Ich hoffe, dass wir in 20 Jahren bei der Demokratisierung der Innovation etwas erfolgreicher sein werden. Die Vorstellung, dass Innovation ein geheimer Prozess ist, den nur Genies beherrschen... dass alles auf einen einzigen, brillanten Gedanken zurückgeht... dass Innovation unglaublich mühsam ist... Das hilft weder uns noch der Gesellschaft.
Fast jede:r, den/die ich treffe, hat eine Geschäftsidee, aber sie wissen nicht, was sie damit anfangen sollen, und es gibt nicht viele gute, zugängliche Inhalte für sie.
Ich glaube, dass unsere globale Wirtschaft widerstandsfähiger ist, wenn die Menschen wissen, wie sie ihre eigenen nachhaltigen Unternehmen gründen können.
Die No-Code-Bewegung sollte nicht-technischen Gründern helfen, aber sie fängt gerade erst an.
In 20 Jahren würde ich mir wünschen, dass diese Denkweise und die entsprechenden Werkzeuge mehr zum Mainstream gehören. Ich würde mich dann gerne mehr darauf konzentrieren, wie man Menschen finanziert, die ihre Ideen testen wollen. Ich meine, sie wirklich testen. Im Silicon Valley wird heute noch viel zu emotional investiert: Ein Team, ein Traum und eine PowerPoint-Präsentation. Ich möchte anderen, die bereit sind, die Ärmel hochzukrempeln und die harte Arbeit des Unternehmertums zu machen, die Möglichkeit dazu geben. Sie sollen ihre Ideen zerlegen und sie wieder neu formulieren. Sie sollen ihre Ideen in der Realität testen, um die Fehler und Widersprüche zu erkennen. Ich denke, dass es eine Marktlücke gibt, um in Menschen zu investieren, die so vorgehen wollen. Vielleicht werden diese Leute dann einen echten "Aha"-Moment haben, der auf dem basiert, was sie gelernt haben. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie das konkret aussehen könnte, aber ich habe ein paar Ideen, wie man das testen könnte...
Wir haben David Bland per Video Call im 2019 interviewt und transkribiert. Interessiert es dich noch mehr darüber zu erfahren, dann schreib mir eine Zeile via Email.