Was hat eine positive Fehlerkultur mit Profit und Innovation zu tun?

December 23, 2021
7 Min
Yves Terrier
5 Tips wie du zu einem "Fehler gehören dazu" Mindset kommst.

Wie du mit einer positiven Fehlerkultur zu mehr Profit und Innovation kommst.


Experimentation Mindset “Fehler gehören dazu”. 


Die Erkenntnis, dass eine positive Fehlerkultur wünschenswert ist, scheint vorhanden zu sein. Trotzdem zeigen Studien, dass der Weg für Firmen lange und steinig ist. Beispielsweise steht Deutschland von 61 untersuchten Ländern auf dem zweitletzten Rang bezüglich Fehlertoleranz. 

“Die meisten Experimente werden scheitern. Der erste Schritt ist, dass es in Ordnung sein muss, zu scheitern. Es muss erlaubt sein, zu experimentieren und Ideen zu testen... Wenn die Leute Angst haben zu scheitern, werden sie keine neuen Dinge ausprobieren, es wird keine Innovation geben, es wird kein bahnbrechendes Wachstum geben, man wird nichts Neues entdecken.”

– Morgan Brown, Vice President of Growth bei Spotify


Wir möchten in diesem Artikel Anregungen geben, wie jede Person individuell zu einer positiven Fehlerkultur in ihrer Unternehmung beitragen kann.


Mögliche Gründe, warum wir keine positive Fehlerkultur pflegen


Warum das so ist, lässt sich mitunter durch unsere individualistisch orientierte Gesellschaft erklären. Fehlerforscher Olaf Morgenroth sagt, dass wo Leistung und Erfolge eng an die Persönlichkeit geknüpft sind, das Scheitern eine Bedrohung des Selbstwertes darstellt.

Um somit nicht den Selbstwert zu verlieren, kehren die meisten Leute ihre Fehler unter den Teppich oder machen äussere Umstände dafür verantwortlich. So konnte beispielsweise festgestellt werden, dass Politiker und Parteien bei einer Niederlage meistens das Wetter verantwortlich machen, warum nicht genügend Menschen ins Wahllokal gingen. Bei Erfolgen ist es hingegen nicht einfach Glück, oder das schöne Wetter, sondern klar der Mensch. 


Der Mensch hätte in seinem naturell eigentlich viel Experimentierfreude und somit auch eine hohe Toleranz für Fehler. Welches Kind fällt nicht X-mal um, bevor es Laufen kann? Leider wird die Experimentierfreude, die bei Kindern mit vier Jahren ihren Höhepunkt erreicht, in unserem Schulsystem früh erstickt. Wir lernten früh, dass wir weit kommen, wenn wir alles “richtig machen”. Warum sollte es dann im Berufsalltag plötzlich anders sein?


Innovation und eine positive Fehlerkultur gehören eng zusammen.


Firmen bestehen aus Menschen. Eine fehlertolerante Umgebung fängt bei jedem Individuum und dessen Gedanken an. 


Berufstätige haben folgende Befürchtungen, wenn es um das Thema Scheitern geht:

  • 49% fürchten den Verlust von Anerkennung
  • 42% fürchten, dass ihr Misserfolg negativ kommuniziert werden könnte - Gesichtsverlust
  • 41% glauben, dass Scheitern ihre Karriere hemmen könnte - Existenzängste


Über 80% der Befragten wünschten sich mehr Fehlertoleranz und empfanden ihre Arbeitgeber als zu wenig innovativ. (Diese Zahlen stammen aus einer Studie der Personalberatung SThree, die im Jahr 2018, 1243 Deutsche Berufstätige zu den befürchteten Konsequenzen bei Misserfolgen befragten.) 


Die Fehlerkultur sollte aber vor allem aus wirtschaftlichen Gründen massiv gefördert werden, da laut Fehler Forscher Michael Frese die Profitabilität und Innovation beeinträchtigt sind, wenn diese nicht vorhanden ist:


“In Unternehmen mit geringer Fehlertoleranz gibt es weniger Innovation, es wird weniger gelernt, und es gibt mehr Blaming, Schuldzuweisungen; andere werden für eigene Fehler als schuldig hingestellt. Zudem werden Missgeschicke eher unter den Teppich gekehrt und kaum kommuniziert. Bei solchen Betrieben sinkt der Profit. Das ist wissenschaftlich eindeutig belegt.”

– Michael Frese, Psychologe und Professor


Eine sehr inspirierende Fehlerkultur lebt das Unternehmen X. In der Moonshot Factory wird das Scheitern von Projekten nicht vermieden, sondern sie versuchen dies so schnell wie möglich herbeizuführen und zu belohnen. Wie? Sie beschäftigen sich zuerst mit den kritischen Annahmen, welche das Projekt zu Fall bringen könnten und testen diese. So war beispielsweise beim Vertical Farming Projekt die kritische Frage, ob Grundnahrungsmittel wachsen würden, da nur so das Hungerproblem wirklich gelöst würde. Sie haben es nicht geschafft Reis und Korn zu ziehen und haben folglich das Projekt gekillt. Wenn ein Projekt scheitert gibt es Applaus und Boni.

Astro Teller, X's Captain of Moonshots, nimmt dich im TED Talk zu "The unexpected benefit of celebrating failure" mit auf eine spannende Reise zu Experimenten, die gescheitert sind:


Wie kannst du und dein Unternehmen zu einem Mindset "Fehler gehören dazu" kommen?


1. Setze den Hut des Forschers oder der Forscherin auf. Frage warum ist etwas schief gelaufen. Analysiere ohne zu bewerten. Ziel: Lerne daraus.

Wenn wir den Hut des Forschers oder der Forscherin aufsetzen, machen wir einen Schritt zurück. Dies hilft, die Situation aus einer Aussenperspektive zu betrachten und objektiver zu ergründen, was zu einem Fehler geführt hat. Die Wissenschaft nutzt das Prinzip der Trial-and-Error-Methode. Dabei weisen die Fehlversuche den Weg zur Erkenntnis. Zufällige Fehler bringen die Forschung ebenso voran. Das wohl berühmteste Beispiel ist die Entdeckung des Penicillins."Der aufregendste Satz in der Wissenschaft – derjenige, der neue Entdeckungen ankündigt – ist nicht “Ich hab’s!”, sondern: “Das ist ja komisch!”.” So Biochemiker und Science-Fiction-Autor Isaac Asimov.

Tipp: Versuche innerlich den Reflex umzuprogrammieren “Ah interessant, warum ist das so gelaufen?”, anstatt dich und andere zu verurteilen.


2. Taxiere Dinge nicht gleich als richtig oder falsch. Die Realität ist verhandelbar.

"Ich habe versagt, aber ich bin kein:e Versager:in. Fehler zugeben, aber den eigenen Selbstwert nicht an den Erfolg zu knüpfen – das ist die Kunst.”

– Tim Harford, Britischer Autor und Journalist. Aus dem Buch Trial and Error.

Wer sagt eigentlich was richtig und falsch ist? Die Wahrheit liegt oft dazwischen. Es kommt auf das Narrativ drauf an. 

Speziell gut darin sind Serial Entrepreneurs, die schon viele Unternehmen aufgebaut haben und auch immer wieder auf die Nase gefallen sind. Serial Entrepreneurs verstehen es aus ihren Misserfolgen zu lernen und diese in etwas Grossartiges zu verwandeln.

Ein gutes Beispiel für einen Serial Entrepreneur ist Richard Branson. Mit 20 Jahren hat er einen Versandhandel für Schallplatten gegründet. Mittlerweile besitzt die Virgin Group über 200 verschiedene Unternehmen. Für jedes erfolgreiche Virgin Unternehmen, wie Virgin Atlantic und Virgin Music, gibt es aber auch viele erfolglose Virgin-Unternehmen, wie Virgin Cola, Virgin Brides 😂, Virgin Vodka und Virgin Clothing.

"Ich bin sicher, dass ich in diesem Jahr noch viele Fehler machen werde und aus jedem Fehler wertvolle Lehren ziehe. Jede Person, die sagt, dass sie keine Fehler macht, hat gerade einen gemacht."

– Richard Branson, Serial Entrepreneur und Gründer von Virgin Group

Six times Virgin learned from failure | Virgin
Richard Branson für Virgin Brides - ©Virgin.com

Eine Entrepreneurin aus dem deutschsprachigen Raum möchten wir dir nicht vorenthalten. Wie die Entrepreneur und Podcasterin Vera Strauch mit Fehlern umgeht und was sie Unternehmen rät erfährst du im Female Leadership Podcast.


3. Fokussiere auf die Lösungen und nicht auf das Problem.

Wenn wir uns auf Lösungen fokussieren bewegen wir uns weg vom Spiralendrehen rund um das Problem. Wie eingehend beschrieben werden ganz viele Experimente scheitern, bis eines greift. 

Experimente sind Lösungsversuche. Viele Experimente werden scheitern, davon auszugehen ist richtig und wichtig für eine hohe Fehlertoleranz. 

Die erfolgreichen Unternehmen führen pro Jahr tausende Experimente durch. Bei Booking.com sind es jedes Jahr über 10’000. Die meisten davon werden scheitern. Nur wenige werden etwas Grosses bewirken. Würden sie allerdings nicht so viele Lösungsansätze testen, würden auch viele Erfolge ausbleiben.



4. Perfektion führt nicht zu höherer Leistung. Lebe lieber das Pareto Prinzip und fokussier dich aufs Wesentliche.

Den Zusammenhang zwischen Perfektionismus und Performance bestätigt keine Studie.

Was jedoch nachgewiesen werden kann ist, dass Angstzustände, Niedergeschlagenheit und Burnout mit dem Wunsch perfekt zu sein korrelieren. 

Tipp: Ausbrechen aus dem Wunsch perfekt zu sein.


Es kann helfen zu wissen, dass sich Perfektion nicht lohnt. Das Pareto-Prinzip besagt, dass etwa 80 % der Resultate auf 20 % der Arbeit zurückzuführen sind. In der Geschäftswelt gibt es viele Beispiele für das 80/20-Prinzip, die sich bewährt haben. 20 Prozent der Produkte machen in der Regel etwa 80 Prozent des Umsatzes aus. Das Gleiche gilt für 20 Prozent der Kunden. Auf 20 Prozent der Kunden entfallen in der Regel auch etwa 80 Prozent des Gewinns eines Unternehmens. Da muss man sich fragen, wo es sich lohnt Zeit zu investieren. Wird bei deinem nächsten Pitch wirklich jeder perfekte Satz auf die Prüfschale gelegt? Wohl kaum. Auch für Lösungsansätze, sollten jene Experimente höher priorisiert werden, die den höchsten Impact versprechen.

Wenn dich das Thema Perfektionismus weiter interessiert lohnt sich folgender Podcast: "Goodenoughism" von Sabine Meyer und Feli Ambauen - Beziehungskosmos.


5. Deine Imperfektionen machen dich einzigartig und nahbar. Transparenz über die eigenen Fehler schafft einen Raum der psychologischen Sicherheit für dein Team. 

“Diejenigen, die ein starkes Gefühl von Liebe und Zugehörigkeit haben, haben den Mut, unvollkommen zu sein.”

– Dr. Brené Brown, Forscherin und Professorin


Inspirierend zum Thema Imperfektion und Verletzlichkeit ist das Gespräch zwischen Elizabeth Day und Brené Brown: How to Fail: Brené Brown Podcast mit Elizabeth Day


Es ist menschlich nicht perfekt zu sein. Gerade als Leader:in hilft es die eigenen Imperfektionen und Fehler dem Team gegenüber sichtbar zu machen. Denn das fördert die allgemeine Fehlerkultur am meisten, weil es einen Raum der psychologischen Sicherheit schafft. Ein Scheinbild von Perfektion schafft dagegen Barrieren und trennt uns von anderen. 


Tipp: Teile deine Fehler, lache darüber und experimentiere weiter. Da fällt kein Zacken aus der Krone, die Krone wird dadurch grösser.



Was kannst du also tun, um einen positiven Umgang mit Fehlern zu fördern?

Verinnerliche dir die 5 Mindset Shifts:

  1. Setze den Hut des Forschers / der Forscherin auf.
  2. Taxiere Dinge nicht als richtig oder falsch.
  3. Fokussiere auf die Lösungen und nicht auf das Problem.
  4. Strebe nicht nach Perfektion, sondern lebe das 80/20 Prinzip.
  5. Verstecke deine Fehler nicht, sie machen dich nahbar.

Und vier weitere Tipps obendrauf:

  1. Experimentiere!
  2. Versuch mal etwas ganz neues. Vielleicht ein Turmspringen-Kurs?
  3. Verlasse deine Komfortzone. Zum Beispiel mit einem Improvisations Theaterkurs.
  4. Mach eine Liste mit dem, was du erledigt hast und schreib dahinter "Es ist gut. Es ist genug."


Bei allen Tipps wirst du spielerisch und mit wenig Druck erfahren, dass du nur über Fehler machen dazu lernst. 

Wir wünschen dir happy Failing und happy Experimenting! Du bist super!

Mich würde es freuen von dir zu hören, wie du mit Fehlern umgehst!
Kontaktiere mich direkt via Linkedin oder Email.


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